Insurance Insights
| Bradley Howard |
16 März 2021
Aus unseren Gesprächen mit führenden Köpfen der Versicherungsbranche ergaben sich mehrere Fokus-Themen für 2021 und darüber hinaus. In dieser Blog-Reihe geben einige unserer Experten Einblicke, wie Versicherer Innovationen schaffen und nutzen können, indem sie die folgenden Bereiche angehen: Open Insurance, Nutzung von Daten, Cloud-Migration, Kundenbindung & Cross-Selling, Intelligente Underwriting Workbench und Low Code. Im vierten Teil beleuchtet Bradley Howard, wie Versicherer sich an den Top-Performern aus anderen Branchen orientieren können, um ihre Strategien für bessere Kundenbindung und das Cross-Selling zu gestalten.
DIE BENCHMARK
„Möchten Sie Pommes dazu?“
McDonald’s verkauft über 4.000 Tonnen Pommes Frites am Tag, weil jeder Restaurantgast gefragt wird, ob sie oder er Pommes zur Bestellung dazu haben möchte.
In diesem Artikel betrachten wir, wie Versicherungsunternehmen die McDonalds’s-Taktik anwenden können, um auch ihren Kunden mittels Cross-Selling verschiedene Produkte zu verkaufen. Wir schauen uns auch an, wie die gleichen Techniken für eine bessere Kundenbindung sorgen können. Und zum Schluss wagen wir noch einen Blick in die Zukunft.
DIE HERAUSFORDERUNG
Fangen wir mit der Hypothese an, dass viele Organisationen Cross-Selling schwierig finden.
In der Versicherungsbranche ist das Cross-Selling von Produkten wie Schutzbriefen mit Kfz-Versicherungen oder Cyberpolicen mit Haftpflichtversicherungen eine permanente Herausforderung. Die Zahlen sprechen jedoch dafür, dieses Ziel weiter zu verfolgen. Der Top-CPC-Wert (Cost per Click) für Schlagworte aus dem Bereich Versicherung („compare vehicle insurance“; deutsch: „Vergleich Kfz-Versicherung“) liegt bei 280 $. Wenn die Akquisekosten so hoch sind, ist es wirtschaftlich sinnvoll, sich darauf zu konzentrieren, mehr Produkte an Bestands- und Neukunden zu verkaufen – oder zumindest sicherzustellen, dass diese Kunden bleiben.
Beim Cross-Selling ist es wichtig, eine kundenzentrierte Perspektive einzunehmen. Konzentrieren Sie Ihre Datenmodelle auf eine Kundin oder einen Kunden, leiten Sie ab, was ähnliche Kunden gekauft haben, und geben Sie auf dieser Basis Empfehlungen.
Beispielsweise haben wir mit einem großen Versicherungsmakler zusammengearbeitet, um das Cross-Selling seiner Versicherungsproduktpalette an bestehende Kunden zu verbessern. Wir haben eine Mobile App für seine Makler entwickelt, mit der sie passend zu einem Kunden nach ähnlichen Kunden und deren Historie suchen können. Solche Ähnlichkeiten könnten der Standort, der Umsatz, das Branchensegment oder das aktuelle Versicherungsportfolio sein. So können die Makler von der Erfahrung ihrer Kollegen profitieren, um ihren Kunden weitere Produkte aus dem Portfolio erfolgversprechend anbieten zu können.
STRATEGIEN UND LÖSUNGEN
Im Privatkundengeschäft war eine der schockierendsten Aussagen, an die ich mich erinnern kann, die eines Kfz-Versicherers, der sagte, „wir schreiben unsere Kunden nicht allzu oft an, sonst würden sie sich noch an uns erinnern und ihren Vertrag kündigen“. Welche Art von Service oder Kommunikation ist so schwach, dass Kunden deswegen kündigen?
Einige Versicherungen für Privatkunden schauen sich andere Branchen an, um zu sehen, wie Cross-Selling bei diesen funktioniert. Eine Technik, die wir empfehlen, ist es, an die eigenen Erfahrungen beim Einkaufen zu denken: Fragen Sie sich jedes Mal, wenn Sie ein weiteres Produkt in den Online-Warenkorb legen, warum Sie dies getan haben.
- „77 % der Kunden haben dieses Widget gekauft“?
- „Jetzt für nur 19 € die Platin-Version Ihres Widgets holen“?
- „Bis heute um Mitternacht kostet xyz nur 19 €“?
Es ist offensichtlich, dass keine dieser Techniken einen Rabatt oder irgendetwas kostenlos anbietet. Was sie stattdessen bieten, sind Relevanz, Ersatz und Dringlichkeit. Laut Business Insider haben Supermärkte über alle Branchen hinweg die loyalsten Kunden – Apple und Samsung liegen auf den Plätzen 4 und 14. Ihre User wechseln einfach sehr selten zwischen den Welten, wenn sie sich einmal für eins der beiden Ökosysteme entschieden haben.
Warum sind in den Top 20 dieser Studie keine Finanzdienstleister? Im Durchschnitt behalten US-Amerikaner ihr Girokonto 16 Jahre, bevor sie den Anbieter wechseln. Und Menschen über 65 Jahre halten mit 26 Jahren sogar noch länger an ihren Konten fest. Für Versicherer, die bislang nicht im Loyalitätsranking vorkommen, bietet sich hier eine großartige Gelegenheit.
Bei Endava bringen wir genau die digitalen Tools in die Versicherungsbranche, die in Branchen mit hoher Kundentreue (wie Einzelhandel und Technologie) genutzt werden. Es gibt zum Beispiel Next-Best-Action- oder Predictive-Analytics-Tools, die in Echtzeit Entscheidungen treffen können, um die Kundenbindung zu erhöhen und Cross-Selling-Gelegenheiten zu unterstützen. Solche Anwendungen könnten die Zukunft des Upselling und Cross-Selling in der Versicherungsbranche sein.
Es gibt noch weitere Systeme und Prozesse, die beim Thema Cross-Selling berücksichtigt werden sollten: Vertragsverlängerung und -abrechnung sollten synchronisiert werden, um die Customer Experience zu vereinfachen. Kunden sollten möglichst alles bei nur einem Makler oder Versicherer machen können. Tatsächlich ist es so, dass sich Kunden eine kombinierte Police bei einem anderen Versicherer suchen, weil sie mehrere Rechnungen vom selben Anbieter erhalten.
Zudem gibt es Alternativen zum Cross-Selling, wie die Bündelung von Produkten. Wir haben einen großen Unternehmensversicherer dabei unterstützt, verschiedene Stufen von Versicherung anzubieten. Jede Stufe umfasst dabei verschiedene Versicherungsarten (Haftpflicht, Cyber etc.) unter einem gemeinsamen Dach. Außerdem sind die Stufen an einfachen Parametern wie der Anzahl der Angestellten ausgerichtet.
Eine weitere Alternative ist, den Kunden zu zeigen, dass sie mehr bekommen als das reine Versicherungsprodukt. Der britische Versicherer More Than (RSA) stellt Autofahrern im Rahmen ihrer Kfz-Versicherung „Smart Wheels“ eine Prepaid-Debit-Karte zur Verfügung. Jedes Quartal lädt der Versicherer einen Geldbetrag auf die Karte, wenn die Versicherten basierend auf Geschwindigkeit, ruhigem Fahrverhalten und Nutzungsstatistiken gute Fahrwerte haben.
DIE ZUKUNFT
Obwohl McDonald’s bereits jede Kundin und jeden Kunden fragt, ob sie Pommes extra haben möchten, investiert man dort trotzdem in Technologie, zum Beispiel in künstliche Intelligenz und Machine Learning, um die Cross-Selling-Möglichkeiten weiter zu steigern. Das Unternehmen nutzt zum Beispiel Nummernschilderkennung in ihren Drive-Throughs, um Kundentreue und Bestellungen zu tracken und so den Gästen weitere Produkte vorschlagen zu können.
Außerdem erleben wir gerade den Aufstieg von Abo-Diensten gegenüber einzelner oder jährlicher Abrechnung. Viele Unternehmen kaufen bereits zumindest einen Teil ihrer IT-Services, zum Beispiel Cloud-Hosting oder Office-Programme, auf Abo-Basis – warum schließen sie nicht auch ihre Versicherungen auf diese Weise ab?
Jetzt könnte also die perfekte Zeit sein, um Ihre Strategien rund um die Themen Upselling und Kundenbindung zu überprüfen. Vergleichen Sie dabei nicht nur mit vertrauten Konkurrenten aus der Versicherungsbranche, sondern auch mit Unternehmen aus anderen Branchen. Wenn Sie diese als Benchmark und Vorbild nutzen sowie Technologie einsetzen, um Ihre Strategien zu unterstützen, können Sie Mehrwerte mit und für Ihre Kunden schaffen.
Übersetzt aus dem Englischen
Bradley Howard
Regional VP Industry Acceleration
Bradley führt bei Endava ein Team von Experten, das Kunden und Kollegen mit tiefgreifendem Branchenwissen versorgt. Bradley ist spezialisiert auf die Versicherungsbranche und den Einzelhandel. Er hilft Kunden bei Entwurf und Umsetzung ihrer Produkt-Roadmaps sowie bei der stetigen Produktinnovation. Bradley ist zudem auch Gastgeber des beliebten Endava-Podcast „Tech Reimagined“.ALLE KATEGORIEN
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