Insurance Insights
| Robert Anderson |
09 März 2021
Aus unseren Gesprächen mit führenden Köpfen der Versicherungsbranche ergaben sich mehrere Fokus-Themen für 2021 und darüber hinaus. In dieser Blog-Reihe geben einige unserer Experten Einblicke, wie Versicherer Innovationen schaffen und nutzen können, indem sie die folgenden Bereiche angehen: Open Insurance, Nutzung von Daten, Cloud-Migration, Kundenbindung & Cross-Selling, Intelligente Underwriting Workbench und Low Code. Im dritten Teil erklärt Robert Anderson, warum Versicherer in die Cloud migrieren sollten – und dies auch wollen – und wie man den Weg in die Cloud erfolgreich geht.
EINLEITUNG
In den vorherigen Teilen dieser Blog-Reihe haben sich Gareth Miller und Dan Pelos das Thema Open Insurance und die Nutzung von Daten angeschaut. Beide Bereiche benötigen einen tiefgreifenden Wandel in der Art, wie Versicherungsunternehmen Daten verarbeiten und teilen. Wir befinden uns jedoch bereits inmitten eines weiteren Einstellungswandels in der Versicherungsbranche, nämlich der zunehmenden Migration in die Cloud.
Vor ungefähr zehn Jahren habe ich einer Firma geholfen, ihre erste Anwendung einzuführen, die nativ in der Cloud gebaut wurde. Das war aufregend, denn ich war ein Vorreiter und hatte einen Präzedenzfall in dem Unternehmen geschaffen für alle weiteren Cloud-Lösungen, die folgen sollten. Es war aber auch eine Herausforderung, denn das Unternehmen war so aufgestellt, dass es nur IT-Lösungen mit lokalem Hosting einsetzen konnte. Ich musste mit allen Mitteln kämpfen, um etablierte Prozesse zu verändern, damit sich diese auch für Cloud-Dienste eignen.
In dem Jahrzehnt seit diesem Projekt ist Cloud-Technologie erwachsen und ein akzeptierter Bestandteil von IT-Systemen geworden. Heute gibt es verschiedene „Arten“ von Cloud: „Infrastructure as a Service“ (IaaS), „Platform as a Service“ (PaaS) und „Software as a Service“ (SaaS). Und momentan treten wir in das Zeitalter der Serverless-Technologie ein.
Während Unternehmen in anderen Branchen, wie im Einzelhandel oder im Tourismus, sich schon voll auf die Cloud eingelassen haben, lief die Einführung in der Versicherungsbranche als Ganzes eher langsam. Dies lag primär an Sicherheitsbedenken, vor allem wenn es um durch Vorschriften geregelte Daten geht. In den vergangenen Jahren hat sich jedoch etwas gewandelt: Statt hartnäckig Widerstand zu leisten, sind viele Versicherungsunternehmen nun vorsichtig optimistisch. Eine aktuelle Umfrage von über 100 CIOs im Versicherungsbereich ergab, dass 63 % der Unternehmen darüber nachdenken, ihre Anwendungen weiter in die Cloud zu migrieren.
Das liegt vor allem an folgenden Gründen:
- Die Cloud wird als sicherer angesehen als vor zehn Jahren.
- Die Cloud ist ein Weg, um alltägliche und einfache Ausgaben auszulagern.
- Die Cloud-Dienste selbst sind ausgereifter.
- Es gibt natürliche Synergien zwischen der Cloud-Einführung und anderen Transformationsprogrammen (z. B. in Bezug auf Daten und Digitalisierung), die die Versicherung gerade durchläuft.
TREIBER FÜR DIE CLOUD-EINFÜHRUNG
Es gibt vier wesentliche Gründe, warum Versicherungsunternehmen heute in die Cloud migrieren wollen.
Kosten senken
Der erste Grund ist, dass die Versicherungsbranche Wege finden muss, um Kosten zu senken. In den letzten Jahren konnten viele Versicherer die Prämien niedrig halten und wettbewerbsfähig bleiben, indem sie Reserven auflösten – dies war möglich, da die Forderungen geringer waren als prognostiziert. Dieser Weg ist jedoch nicht nachhaltig. Zudem sind die Margen mit dem Aufstieg von Preisvergleichsportalen knapper geworden. Im Bereich der Rückversicherungen fließt ein Überschuss an Kapital in den Markt; es gibt viele Kapitalgeber, die sich Marktanteile sichern wollen und so wiederum die Margen drücken.
Durch den Abschwung in vielen Volkswirtschaften – verschärft durch die globale Pandemie, in der wir uns gerade befinden – haben Individuen und Unternehmen weniger Geld, um Versicherungsprodukte zu kaufen. Versicherer reagieren auf diese Bedingungen mit einer Senkung der Betriebskosten in dem Versuch, die Prämien gering zu halten. Sie schauen auch auf andere Branchen und sehen, wie diese Cloud-Lösungen eingeführt haben und deren positive Auswirkung auf das Geschäftsergebnis. Natürlich wollen Versicherungsunternehmen diesem Beispiel folgen.
Altsysteme ersetzen
Ein zweiter Treiber für die Einführung der Cloud ist, dass viele etablierte Versicherer ihre Abhängigkeit von IT-Altsystemen loswerden wollen. In den Anfängen der Technik waren Versicherungsunternehmen sogar einige der ersten Anwender. Statt jedoch mit der Zeit Schritt zu halten und ihre Technologie-Stacks anzupassen und auf dem aktuellen Stand zu halten, wurde oft nur basierend auf den bestehenden Plattformen weiterentwickelt, meist ohne eine übergeordnete IT-Strategie.
Außerdem sind die meisten der etablierten Versicherungsunternehmen durch Firmenübernahmen oder Fusionen gewachsen. Anstatt die unterschiedlichen IT-Bestände ordentlich zu integrieren und zu rationalisieren, haben sie diese oft nur planlos angeflanscht. Das Resultat sind IT-Systeme wie ein Autobahnkreuz aus ineinander verschlungenen, obsoleten Technologien, auch bekannt als toxische IT. Versicherer betrachten die Cloud-Einführung nun als einen Weg, um ihre IT-Systeme zu modernisieren und die veraltete Technik loszuwerden.
Besser auf den Markt reagieren
Eine ungünstige Begleiterscheinung von IT-Altsystemen ist, dass es schwierig ist, Änderungen an ihnen vorzunehmen. Der dritte Grund für eine Cloud-Migration ist daher, dass Versicherer so in die Lage kommen wollen, schneller und besser auf veränderte Marktbedingungen zu reagieren, denn einige Dinge sind mit lokalen Systemen einfach nicht möglich.
So gibt es bei den meisten Versicherungsunternehmen einen Zeitraum, wo das Aufkommen von Aktivitäten im Zusammenhang mit Versicherungspolicen, zum Beispiel Vertragsverlängerungen, deutlich höher ist als im Rest des Jahres. Ein lokal gehostetes System muss also so aufgestellt sein, dass es auch mit solchen temporären Aktivitätsspitzen umgehen kann. Das führt dazu, dass diese Systeme für vielleicht zehn von zwölf Monaten im Jahr deutlich überdimensioniert sind.
Zudem ist es schwierig, lokale IT-Systeme so zu skalieren, dass sie mit unerwarteten Ereignissen umgehen können. Wie haben sich Versicherungsunternehmen angepasst, um den massiven Ansturm von Reiseversicherungsfällen zu Beginn der COVID-19-Pandemie zu bearbeiten? Die traurige Antwort ist, dass die meisten gar nichts getan haben und viele ihrer Kunden dadurch frustriert und verärgert haben. Wenn man das Thema Cloud richtig angeht, kann man die IT-Kapazitäten bei gestiegenem Bedarf hochskalieren und wieder runterfahren, wenn die Nachfrage gesunken ist. So können Versicherer sich auf ihre eigentlichen Differenzierungsmerkmale konzentrieren – ihre Underwriting-Fähigkeiten und die Schadensabwicklung.
Neue Arbeitsweisen
Wir kennen Versicherungsunternehmen, die nicht jahrelang warten wollen, bis ein IT-Projekt ausgeliefert wird, wie es bei der klassischen Wasserfall-Entwicklung der Fall ist. Für diese Unternehmen ist die Cloud ein Weg, um wirklich DevOps einführen und effizienter und agiler arbeiten zu können. Einige der heutigen Cloud-Dienste, wie Serverless-Architektur und die Nutzung von Containern, ermöglichen es Entwicklern, weitestgehend autonom zu arbeiten, schnell und mit nur geringen negativen Auswirkungen auf das Gesamtprodukt. Im Ergebnis können Projekte und deren Nutzen schnell und iterativ abgeliefert werden.
TIPPS ZUR CLOUD-EINFÜHRUNG
Obwohl die Einführung von Cloud-Technologie eine Menge Probleme lösen kann, ist sie doch nicht ohne Gefahren. Versicherungsunternehmen können nicht einfach alles in die Cloud migrieren und erwarten, dass dies zum Erfolg wird. Sie sollten für einen guten Start vorher zwei wichtige Dinge tun.
Prüfen Sie die Cloud-Readiness Ihres Unternehmens
Das Erste, was Versicherer tun sollten, ist zu überprüfen, wie gut ihr Unternehmen auf die Cloud-Einführung vorbereitet ist. Wie in der Einleitung beschrieben, passen die alten Arbeitsweisen nicht wirklich zur Cloud. Prozesse müssen geändert werden, neue Governance-Strukturen müssen geschaffen werden und verschiedene Fähigkeiten müssen entwickelt oder von außen ins Team geholt werden. Wenn ein Versicherungsunternehmen die Cloud nur wie ein weiteres Rechenzentrum behandelt, wird das die Kosten erhöhen, ohne dass man irgendwelche Vorteile hat. Das könnte erklären, warum einige Unternehmen zurückgekehrt sind zu einem lokalen Setup, nachdem sie ein bisschen in der Cloud rumgespielt haben.
Prüfen Sie die Cloud-Readiness Ihrer IT-Systeme
Das Zweite, was ein Versicherungsunternehmen tun sollte, ist zu überprüfen, wie gut seine IT-Systeme auf die Cloud-Einführung vorbereitet sind. Unserer Erfahrung nach unterschätzen viele Organisationen den Aufwand einer Cloud-Migration gewaltig – weil sie nicht verstehen, wie sehr ihre IT-Systeme nicht auf die Cloud vorbereitet sind. Dadurch kommen immer wieder Verzögerungen und unerwartete Kosten auf sie zu. Im Ergebnis könnte eine über zwei Jahre angelegte Cloud-Migration mittlerweile im fünften Jahr laufen und immer noch nicht alles migriert sein. Folgende Dinge können dabei Warnsignale sein: blindes Vertrauen in alte Technologie ohne klaren Upgrade-Pfad, zahlreiche Punkt-zu-Punkt-Verbindungen und viele maßgeschneiderte Anwendungen für die individuellen Prozesse des Unternehmens.
Eine Möglichkeit, wie wir Kunden geholfen haben, dies abzumildern, ist ein differenzierter Ansatz, bei dem Systeme Schritt für Schritt migriert werden, wodurch wir Erkenntnisse von einer Teilmigration auf die nächste anwenden können.
FAZIT
Versicherungsunternehmen sehen die Cloud zunehmend als ausgereifte Technologie. Obwohl eine Cloud-Einführung viele Vorteile hat, bringt sie auch gewisse Risiken und Herausforderungen mit sich. Damit der Einstieg in die Cloud erfolgreich wird, ist es essenziell, zuerst zu prüfen, wie bereit ein Unternehmen wirklich für die Cloud ist, sowohl aus der Business- als auch aus der IT-Perspektive. In vielen Kundenprojekten konnten wir selbst erfahren, dass durch so eine Vorabscheinschätzung und professionelle, vertrauenswürdige Unterstützung während der Cloud-Migration einige potenzielle Fallstricke vermieden werden können. Die Cloud ist gekommen, um zu bleiben, und man sollte sich auf sie einlassen, statt die Augen zu verschließen in der Hoffnung, dass sie wieder verschwindet. Nur nicht vergessen: Alles hat sein Gutes, auch die Cloud.
Übersetzt aus dem Englischen
Robert Anderson
Principal Architect
Robert ist ein Enterprise Architect mit 20+ Jahren IT-Erfahrung und Endavas leitender Architect für die Versicherungsbranche. Sein Fokus liegt auf IT-Trends, besonders auf denen, die die Customer Experience unterstützen, und darauf, Geschäftsziele durch strategische IT-Architektur zu erreichen. Robert ist nachweisbar erfolgreich darin, Wandel durch die Anwendung von Best Practices und Branchenstandards voranzutreiben. In seiner Freizeit ist er Fotograf und seine Fotos wurden weltweit in Magazinen, Zeitungen und auf Websites veröffentlicht.ALLE KATEGORIEN
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